Am 21. November 2017 jährt sich der Todestag von Silvio Meier zum 25. Mal. Er war Bürgerrechtler, Aktivist der „Offenen Arbeit“ in der DDR, Hausbesetzer und Antifaschist. Nach einer Auseinandersetzung mit einer Gruppe junger Neonazis wurde er am U-Bahnhof Samariterstraße von dem mutmaßlichen FAP-Mitglied Sandro S. mit mehreren Messerstichen erstochen. „Jetzt haben wir es euch gezeigt, ihr linken Säue!“, sollen die Neonazis bei der Auseinandersetzung gerufen haben.
Die Erinnerung an Silvio wird von Antifaschist*innen, Freund*innen und Wegbegleiter*innen jedes Jahr aufs Neue wach gehalten. Mit einer Plakette im U-Bahnhof Samariterstraße und einer nach ihm benannten Straße in unmittelbarer Nähe wird ihm über das tragische Ende seines Lebens hinaus im öffentlichen Raum gedacht. Und auch die traditionelle Demonstration in Gedenken an ihn konnte in der Vergangenheit alte und neue Kämpfe vereinen und auf die Straße bringen. Zu seinen Ehren verlieh der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg letztes Jahr zudem erstmals den Silvio-Meier-Preis an Menschen, Vereine, Initiativen und Projekte, die sich in herausragender Weise gegen Neonazismus, Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung einsetzen.
Silvio Meier ist ohne Frage eine der schillernsten Bezugspersonen des antifaschistischen Widerstands nach dem Mauerfall. Das Gedenken an ihn und die jährliche Demonstration gehören zum festen Termin des „Antifaschistischen Jahreskalenders“. So kraftvoll sie auch war und ist, hat sie über die Jahre immer mehr ihren Bezugspunkt verloren. Niemand kann wissen, wie gutes oder richtiges Gedenken aussehen soll. Trotzdem haben wir das Gefühl, dass es mehr geben muss, als mit einer jährlich stattfindenden, großen Demonstration so richtig auf den Putz zu hauen. Deshalb haben wir uns entschieden, eine Veranstaltungsreihe zu organisieren, die verschiedene historische Aspekte seiner Zeit thematisieren, aber gleichzeitig auch eine Brücke in die Gegenwart schlagen soll.
Dabei wollen wir explizit keinen Personenkult befeuern. Unsere Intention ist viel mehr, an das zu erinnern, wofür Silvio und viele andere unserer Auffassung nach standen und gekämpft haben. Es sind die rebellischen Freiräume, die schon in den letzten Jahren der DDR erkämpft wurden, die bis heute mehr als notwendig sind und verteidigt werden müssen. Es war und ist der alltägliche Kampf im wiedervereinigten Deutschland gegen Rassist*innen und Neonazis, die uns immer noch jeden Tag bedrohen.
Für uns ist die Zeit Ende der 1980er/ Anfang der 1990er Jahre der Beginn einer eigenständigen antifaschistischen Bewegung im Osten der Republik. Wir wollen herausfinden, wie die Verhältnisse damals waren, welche Nischen zur Selbstorganisation es in der DDR für Nichtangepasste gab und wie jene Hausprojekte entstanden, die bis heute noch erhalten geblieben sind. Und auf der anderen Seite wollen wir ergründen, wie die Antifa-Bewegung von damals dem brutal aufflammenden Nationalismus und Rassismus des wiedervereinten Deutschlands begegnete und welche Erfahrungen wir, die damals noch nicht aktiv waren, für die heutige und künftige politische Arbeit nutzen können.
Wir kannten Silvio Meier nicht. Daher wollen wir nicht anmaßen zu behaupten, wer er war und was er bewegt hat. Was wir aber machen können, ist, seine Geschichte zum Anlass zu nehmen, uns mit den Ereignissen seiner Zeit zu beschäftigen und diejenigen zu Wort kommen zu lassen, die diese Zeit mit erlebt und geprägt haben. Wir möchten in den Austausch gehen und laden daher auch explizit alle damals Aktiven ein, ihre Erfahrungen von Anfang der 1990er-Jahre mit uns zu teilen.
Veranstaltende & unterstützende Gruppen:
Kollektiv der Villa Felix/Schreina47
Antifa goes Brandenburg [AGB]
Autonome Antifa Berlin [a2b]